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Warum ist nicht gleich warum

Auch wenn man es in der „Warum-Frage-Phase“ des Kindes nicht glauben möchte bzw. es einem völlig egal ist: Es gibt verschiedene Arten eines „Warums?“. Das mag für den um Antwort gebetenen Erwachsenen keinen großen Unterschied machen, zieht diese Phase letztendlich aber in die Länge, da das „Warum“ so nach und nach eine andere Qualität erhält und aus anderen Gründen interessant wird. Erst einmal beginnt es mit dem Fragealter des Kindes. Das Kind ist neugierig und fragt überall nach. Dies geschieht irgendwann dann automatisch und nach jedem geäußerten Satz hört man sofort dieses bekannte „Warum?“, welches in einer Endloskette endet. Alles wird hinterfragt, auch wenn die Antwort manchmal kaum wahrgenommen wird. Kinder scheinen einfach Spaß daran haben die Welt zu entdecken und zu erkunden. Sie haben festgestellt, dass nicht alles einfach nur so da ist und geschieht, sondern dass es irgendwelche Gründe hat, die einem dabei helfen, die Welt besser zu verstehen und Dinge einzuordnen. Zu Beginn geben sie sich meist mit kurzen Antworten zufrieden. Hauptsache sie werden erhört und können ihre Frage stellen, nur um gleich darauf die nächste Frage wieder los zu werden. Irgendwann geht es tatsächlich darum, herauszufinden, warum Eltern auf bestimmte Dinge reagieren, wie sie es tun. Die Beweggründe bestimmten Handelns wollen verstanden werden. Dies schlägt sich auch im kindlichen Verhalten nieder. Anweisungen von Eltern werden hinterfragt und nur bei ausreichender Begründung ausgeführt – und auch dann nicht immer… Es geht nicht mehr in erster Linie um Sachverhalte und Fakten, sondern um das Verhalten und soziale Miteinander. Nun wird auch tatsächlich eine begründete Antwort erwartet. Parallel dazu geht es aber auch um sachliche Informationen. Kinder möchten Dinge erforschen und experimentieren. Es bleibt nicht mehr bei der Fragestellung an die Eltern oder andere Bezugspersonen, sondern sie werden dabei selbst aktiv und versuchen selbst Antworten auf ihre Fragen zu finden.
Ist es wichtig, dass man die Unterschiede dieser „Warum“-Fragen wahrnimmt? Im Prinzip nicht und bisher habe ich auch noch gar nicht groß darüber nachgedacht, allerdings wurde ich durch Bilderbücher, die dieses Thema behandeln darauf aufmerksam. Hier merkt man die Unterschiede deutlich und man sollte ja nicht denken, dass ein „Warum“-Bilderbuch einem anderen „Warum“-Bilderbuch gleichen würde. Vor einiger Zeit habe ich euch bereits das Buch „Warum?“ von Lindsay Camp und Tony Ross vorgestellt. In diesem Buch geht es um die intuitiven „Warum?“-Fragen, die aus einem Kind nur so heraus purzeln. Heute möchte ich euch nun noch zwei Bücher vorstellen, in denen das „Warum?“ aus einer anderen Motivation heraus gestellt wird. Zunächst dachte ich, dass das Buch „Robert fragt: Warum?“ in die gleiche Richtung geht, wie das bereits besprochene Warum-Buch, denn mit dem Satz auf dem Buchrücken „Ideal für alle Familien, deren Kinder auch so gerne „Warum?“ fragen.“ fühlte ich mich durchaus angesprochen. „Warum?“ ist schließlich auch ein Lieblingswort von Bücherwürmchen. Doch dann habe ich beim ersten Anschauen des Buches festgestellt, dass die Warum-Fragen, die das neugierige kleine Nashorn Robert hat, nicht mit denen von Bücherwürmchen zu vergleichen sind. Robert ist nämlich wirklich sehr neugierig und ständig auf der Suche nach Antworten. Leider entsteht dabei so manche Sauerei bzw. ein großes Chaos, aber wie soll er denn auch sonst herausfinden, warum Milch spritzt oder warum manche Pflanzen so lange Wurzeln haben? Wer Antworten haben möchte, muss schließlich auch einiges ausprobieren. Irgendwann sehen Roberts Eltern es ein, dass Robert einfach ganz viel wissen möchte und so gehen sie gemeinsam mit ihm in ein Museum. Doch statt sich nun mit den ganzen Informationen, die das Museum bereit hält, zufrieden zu geben, hat Robert nur noch mehr Fragen. Erst als Robert von den ganzen Eindrücken völlig erschöpft und müde ist, verstummt er. Sind ihm nun die Fragen ausgegangen? Natürlich nicht!
Als ich mir das Buch später dann noch einmal angeschaut habe, habe ich festgestellt, dass manche Fragen doch denen von Bücherwürmchen ähneln, denn erstens gibt es natürlich viele Überschneidungen bei den verschiedenen Arten der „Warum-Fragen“ und zweitens scheint Bücherwürmchen nun doch auch Phänomenen nachgehen zu wollen. Zumindest die Frage, warum die Milch weiß ist, obwohl Kühe doch grünes Gras fressen, geht in die Richtung von Roberts Fragen. Mit Experimenten hält er sich zum Glück bisher zurück, aber wenn ich mir so anschaue, was er nun immer alles so basteln möchte, ist dies wohl auch nur noch eine Frage der Zeit… Nun aber zurück zu Robert. Robert ist ein für Eltern manchmal anstrengendes Kind, aber eigentlich genau so, wie Kinder sein sollten. Er ist neugierig und interessiert sich für vieles. Das Buch stellt auf erfrischende und heitere Art und Weise vor, wie Kinder mit ihren Fragen die Welt entdecken und wie vielfältig ihre Interessen in diesem Alter noch sind. Alles, was sie umgibt, ist interessant und muss erforscht werden. Eigentlich klasse, wenn Kinder so an ihre Umgebung heran gehen, aber man kann natürlich auch die Nashorneltern verstehen, die die Hände über dem Kopf zusammen schlagen.
Die Bilder verbildlichen toll die Lebensenergie von Robert sowie die gestressten Eltern. Ich glaube, viele werden sich und ihre Kinder tatsächlich in diesem Buch widererkennen und genau deswegen hat man jede Menge Spaß mit diesem Buch. Die hier geschilderte Fragerei kommt einem absolut nicht fremd vor. Allerdings weiß ich nicht, ob dieses Buch sich letztendlich nicht mehr an die Eltern als an die Kinder wendet. Für Kinder ist die Suche nach Antworten und das Chaos, was dabei entstehen kann, ganz normal. Die Fragerei und die damit verbundenen Experimente werden von ihnen ernst genommen und sind kein bloßer Zeitvertrieb. Sie werden die Bilder in dem Buch mögen, aber den eigentlichen Witz dieses Buches nur am Rande wahrnehmen, während Eltern durchaus darüber lachen können, wenn ihnen die eigene Situation auf humorvolle Art und Weise vor Augen geführt wird.

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Nicht nur in dieser Hinsicht ist das Buch „Balduin bleibt grün“ ganz anders, auch wenn es in diesem Buch ebenfalls um die Frage „Warum?“ geht. Die Geschichte von Balduin richtet sich direkt an Kinder und zeigt nicht die erheiternde Seite dieser Frage auf, sondern macht Mut sie zu stellen.
Das Chamäleon Balduin hat beschlossen, seine Farbe nicht mehr zu ändern, obwohl Chamäleons eigentlich ihre Farbe verändern. In den Kindergarten geht er gerne, aber er hat keine Lust, sich auf der roten Rutsche rot zu färben oder in der weißen Hängematte weiß. Alle anderen Chamäleonkinder tun dies und Frau Sogehtdas möchte, dass auch Balduin sich färbt. Balduin möchte wissen, warum er das tun soll, worauf die Antwort immer „Weil man das als Chamäleon eben so macht“ lautet. Hm, so richtig zufrieden ist Balduin damit nicht und so beschließt er, sich nicht mehr zu verfärben. Bis er eines Tages die Antwort selbst herausfindet und Frau Sogehtdas die Frage ernsthaft beantwortet. Chamäleons wechseln ihre Farbe als Schutz. Nun weiß auch Balduin, dass es wichtig ist, sich den Gegenständen entsprechend zu färben, und er akzeptiert dies natürlich auch. Aber warum muss man sich dann im geschützten Kindergarten ebenfalls färben? Da auch Frau Sogehtdas keine Antwort darauf hat, darf von nun an jedes Chamäleon selbst entscheiden, welche Farbe es im Kindergarten annimmt.
Auch in dieser Geschichte wird häufig „Warum?“ gefragt. Es ist aber ein „Warum“ ganz anderer Qualität. Hier möchte Balduin erklärt bekommen, warum er sich in einer gewissen Art und Weise verhalten soll. Er hinterfragt Regeln und Verhalten und übernimmt nicht einfach alles, was ihm gesagt wird. Das Buch regt dazu an, nicht alles kritiklos hinzunehmen. Man darf ruhig nachfragen und sich Regeln erklären lassen. Balduin ist mutig. Er widersetzt sich Frau Sogehtdas nicht einfach nur bockig, weil er ihr nicht gehorchen möchte, sondern er möchte wissen, warum er etwas Bestimmtes tun soll. Natürlich kann man mit Kindern nicht immer alles bis ins Kleinste ausdiskutieren, aber die Botschaft, dass man Sachen hinterfragen soll und darf, ist wichtig. Immerhin möchten wir ja, dass unsere Kinder zu mündigen Bürgern herangezogen werden, die ihre eigene Meinung haben.
Auch wenn man diesem Buch seine Botschaft natürlich sehr deutlich anmerkt, gefällt mir die Geschichte. Normalerweise mag ich solche pädagogischen Bücher eher weniger, aber irgendwie wurde das Ganze hier dennoch nett umgesetzt. Balduin ist eine sympathische Hauptfigur und die Geschichte lässt sich gut lesen. Alles entwickelt sich logisch und ist gut nachvollziehbar. Die Bilder sind niedlich und ansprechend. Allein der Name „Sogehtdas“ geht für mir etwas zu weit in die pädagogische Richtung, aber das ist nur eine kleine Sache am Rande. Insgesamt ist „Balduin bleibt grün“ ein sehr schönes Bilderbuch mit Botschaft, welches eine andere Seite der „Warum-Frage“ beleuchtet.

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Robert fragt: Warum? von Tracey Corderoy und Tim Warnes, übersetzt von Anna Butte, Kerle Verlag 2015, ISBN: 978-3-451-71267-8, 12,99€
Balduin bleibt grün von Fritzi Bender und Charlotte Hofmann, Edition Octopus 2014, ISBN: 978-3-95645-201-7, 14,95€

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